Vom Loslassen und der inneren Gelassenheit
Ihr kennt das bestimmt, so Tage an denen man innerlich spürt, es wäre heute besser, ich würde nicht reiten. Angespannt von der Arbeit, verbissen einem Ziel hinterher jagend oder einfach Angst z.B. vor den Dachlawinen der Reithalle, zu haben. Es ist leider ein Kreislauf. Zuerst muss man sich selbst vertrauen, um dann das Vertrauen zurück zu bekommen. Es braucht Respekt und Losgelassenheit und zwar unter Tier und Mensch um die Losgelassenheit beim Reiten zu erlangen.
Die mentale Losgelassenheit (die im Kopf statt findet) findet ihren Weg über den Körper des Reiters zum Pferd. Ein in sich ruhender Reiter mit offenem Blick und positiven Gedanken bringt sein Pferd auch körperlich zur Losgelassenheit. Sind wir nicht in Balance, können wir uns schwer koordinieren. Es braucht ein neues Körpergefühl, um sich wieder auf das eigene Können verlassen zu können. Gelingt das, steigert es das Selbstvertrauen und vermittelt wieder ein sicheres Gefühl. Zu hoch gesteckte Ziele oder stumpfes Lektionentraining dagegen, führen zu Krampf und Kampf sowie Frust und Disharmonie- auf beiden Seiten des Sattels. Es lohnt sich herauszufinden, mit welchen Übungen man sein Pferd motivieren kann, denn das bringt mehr, als Zwang (Xenophon): Kommandiert man sein Pferd herum, wird es exerzieren- aber nicht tanzen.
Geduld und Entspannung
Wie wäre es, den zurechtgestrickten Plan loszulassen, Pausen einzulegen, erkennen, dass man mehr Zeit braucht?- das entspannt und lässt vielleicht ein Lächeln zu. Wir sollten mehr Geduld üben für den richtigen Moment.
Unsere innere Haltung dazu muss stimmen. Unser Tun gehört immer wieder in Frage gestellt, wir dürfen uns nicht selbst überschätzen. Das Pferd spürt uns, unseren Körper, unser Gewicht und unseren Seelenzustand.
Die Losgelassenheit bedeutet also auch geistige Zwanglosigkeit und ergibt aus physiotherapeutischer Sicht, eine schöne Bewegung durch lockere, unverkrampfte Muskulatur bei freier Atmung. Das ist das grundlegende Fundament aus dem heraus erst weiterführende Übungen aufgebaut werden. Es wird dazu geraten, soviel Spannung wie nötig, sowenig Spannung wie möglich aufzubauen. Da sind die Extreme wie „Schockstarre“ (aus Angst) mit maximaler Anspannung einerseits, aber auch „komatöses-im-Sattel-rumhängen“ auf der anderen Seite. Wenn ich da als Trainer von „positiver Grundspannung“ rede, bekomme ich verspannte Schultern oder hochgezogene Knie zu sehen. Unter „positiver Energie“ senden, ernte ich zwar auch rollende Augen, aber es verspannt sich nichts, der Reiter versucht, dem Bild nach zu spüren. So wird Reiten zur Symbiose aus Liebe und Verständnis.
Die Losgelassenheit beim Reiten
Die Losgelassenheit beim Pferd zu erreichen muss das Ziel und das Ende der Reiteinheit sein. Sie wird sich durch die gute Art des Reitens ergeben- man kann sie nicht erzwingen.
„Doch ein Lösungsweg führt nur zur Lösung- wenn man ihn auch geht!“
Beispiele für lösende Arbeit und lösende Übungen:
- 10 Min. Mittelschritt am hingegebenen oder langen Zügel
- Leichttraben in frischem Tempo (nicht übereilt vorwärts, das führt zu Verspannungen; nicht zu langsam- schleppende Hinterhand) auf großen Linien in leichter Anlehnung
- Galopp auf großen Linien
- Wechsel zw. Trab und Galopp (entspannt den Rücken)
- Wechsel zwischen Schritt und Trab
- Schenkelweichen, Vorhandwendung
- Aus dem Zirkel wechseln
- Schlangenlinien, einfache und durch die Bahn
- Tritte und Sprünge verlängern
- Wichtig: viele Pferde lösen sich im Galopp leichter als im Trab(kein ermüdender Dauerlauf bereits vor der eigentlichen Arbeit)
- Die geeignete Lektion für sein Pferd finden
- Einschließlich der Schrittphase sollte das Pferd in 20-30 Min. gelöst sein, dies variiert mit dem Alter und auch der Außentemperatur
Weitere Möglichkeiten:
- vorgeschalteter Spazierritt, klettern, Wellenbahn
- richtiges Longieren
- Freispringen
- Bodenricks, kleine Gymnastiksprünge
Fortgeschrittene Pferde:
- Viereck verkleinern und vergrößern
- Übertreten lassen auf offener Zirkelseite
- Reiten einer acht
- Zirkel verkleinern (traversartig) und vergrößern( schulterhereinartig)
- Schulterherein
Beispiele mangelnder Losgelassenheit beim Reiten:
Schweifschlagen- Schlauchgeräusche- Zähneknirschen- Stressatmung- hektisches Kauen- Anlehnungsfehler (durch verspannen im Genick, Hals, Rücken) – kein energisches Abfußen aus der Hinterhand (schwingt nicht durch den ganzen Rücken durch) – geht nicht taktrein- Pferd kaut (zu enges Reithalfter?) und speichelt nicht- eingeschränkte Vorhandtätigkeit- Unterhals (Pferd entzieht sich nach hinten- unten)- keine Dehnungshaltung möglich- keine Nickbewegung mehr im Schritt- Triggerpunkte am Kaumuskel und Unterhals (Überforderung unter psych. Stress) – geht ständig in hoher Grundspannung- psych. und/oder phys. Überforderung- Unsicherheit( Pferde werden von ihrem Reiter nicht geführt, fühlen sich allein gelassen)
Pferd ist müde und verheizt- ist gelangweilt und abgestumpft- es hat resigniert
In einer gelungenen Lösungsphase werden Muskeln, Sehnen und Bänder gelockert, erwärmt und vermehrt durchblutet.
Durch das korrekte Lösen werden nervöse Pferde in der Regel ruhiger (aber nicht langsam) und triebige Pferde in der Regel fleißiger (aber nicht eilig).
Für das junge Pferd ist das erreichen der vollen Losgelassenheit das Ziel der Reiteinheit.
Beim reiferen Pferd gilt es immer wieder die Losgelassenheit zu erreichen (kann durchaus zwischendrin verloren gehen) sowohl während der Arbeits- als auch in der Erholungsphase.
Wichtig: So wie man das Pferd wegstellt, holt man es physisch und psychisch am nächsten Tag wieder heraus!
Ich wünsche euch dazu gutes Gelingen und schöne Ritte auf gelassenen und motivierten Pferden. Bei festgestellten Schwierigkeiten, helfe ich euch gerne im Einzelunterricht weiter.