Wer rastet – der rostet oder
Was kann/soll ich mit meinem arthrosegeplagten Pferd noch tun?
Eine Frage, die mir oft in meinem Alltag als Pferde-Physiotherapeutin und Trainerin gestellt wird.
Ich möchte nun keinen detaillierten Artikel über das Krankheitsbild Arthrose schreiben, das kann man in der Fachliteratur oder bei “Dr. Internet” selbst recherchieren. Ich möchte da ansetzen, wo jeder Pferdebesitzer gefragt ist:
Wie kam es zu der Arthrose? Eine Frage die man sich stellen sollte, um beim noch gesunden oder nächsten Pferd umsichtiger vorzugehen.
Eine Arthrose ist immer ein Gelenkschaden – unheilbar, aber durch Management beeinflussbar. Durch irgendetwas (der Reiz kann schon vor Jahren gesetzt worden sein) wurde der Gelenkknorpel überlastet. Er reibt sich ab und Bruchstücke davon gelangen ins Gelenk. Dieses entzündet sich und schwillt an. Das Gelenk wird instabil, denn die Bänder leiern durch die Schwellung aus. Dadurch verspannt sich die umliegende Muskulatur um zu “schützen”. Verspannte Muskeln haben eine verminderte Durchblutung des Gewebes zur Folge, was u.a. auch nicht zur guten Nährstoffversorgung des Knorpels beiträgt.
Ein Teufelskreis wie man sieht. Und er wiederholt sich immer wieder durch weitere Reize. Verspannungen tun weh, das Pferd reagiert mit Widersetzlichkeiten oder Arbeitsunlust. Diese werden gerne falsch interpretiert oder erst gar nicht wahrgenommen. Das Pferd wird weitergearbeitet ohne das überlastete Gelenk beruhigen zu lassen.
Noch eine schlechte Nachricht: selten ist eine direkte Gelenkverletzung der Reiz! Nur unverkrampfte Muskeln können das Gelenk schützen und es in seiner natürlichen Mittelstellung belassen. Die Muskeln verkrampfen z.B. durch plötzlichen Zügelzug, der auf ein Gelenk wirkt, durch klemmende Reiterbeine oder durch steife Reiterbecken, die die Bewegung des Pferdes behindern. Weitere Faktoren:
- zu wenig Bewegung: die Pferde stehen sich krank; Offenstall ist keine Bewegung!
- Fettleibigkeit: wer zu fett ist (auch der Mensch!) wiegt einfach zu viel, bewegt sich dadurch nicht gern, sammelt Stoffwechselschlacken an
- Harte Böden: gepflasterte Ausläufe in Offenställen sind zwar pflegeleicht, aber entsprechen nicht dem federnden Weideboden
- Mehr- und dadurch Überbelastungen ohne geplantes, vorbereitendes Training
- Hufbalance: schlechter Beschlag oder zu lange Beschlagsintervalle belasten den Gelenksinnendruck: Überdenken der Umstellung auf barhuf mit Huforthopäden
Nun hört man immer wieder sinngemäß folgende Sätze:
“Mein Pferd hat mich 20 000 km getragen. Jetzt hat es Arthrose und kann sein Rentnerleben auf der Weide genießen”
Solche Sätze machen mich rasend. Was für ein Unwissen. Was für eine Bequemlichkeit. Was für ein dummes Pferd, das diesen Reiter solange ertragen hat und nun abgestellt wird.
Selbst wenn man von Pferden keine Ahnung hat, so hat man bestimmt jemand mit Arthrose im Bekanntenkreis. Der wird steif, wenn er keine Gymnastik mehr macht, der freut sich über moderate Bewegung in Gesellschaft, der teilt mit, dass ihm Wärme gut tut und der Gang zum Physiotherapeuten ist selbstverständlich. Dazu hier noch ein Sälbchen und da noch ein Kügelchen…
Natürliche Gelenkschmiere bildet sich nur durch angepasste Bewegung. Weidegang und reichen da nicht aus.
Hier Trainingsbeispiele zu geben, ohne den Befund des Pferdes zu haben, ist natürlich schwierig. Solltet ihr euer Pferd kennen und etwas spüren, was man aber noch nicht sieht, dann seit besonders ab dem 10. Lebensjahr etwas hellhörig. Wenn man feststellt, dass sein Pferd anfangs steif ist und sich “dann einläuft”, dann ist das Gelenk bereits gereizt. Vor dieser kalten Phase war eine Entzündung. “Der läuft sich dann schon ein” ist Ignoranz gegenüber dem Pferd!
Ich empfehle:
So reiten oder spazieren gehen, wie es dem Pferd gefällt, 3-5 mal die Woche für mindestens 25 Minuten; angemessene Bodenarbeit (kein zu Tode longieren) auf großen Linien, auch um die Kommunikation zu erhalten; lange Aufwärmzeiten (mindestens 20 Minuten Schritt) beachten; sich um sein Pferd kümmern und versuchen, seine Lebensqualität zu erhalten.
Bei kalter Nässe freut sich auch ein arthritisches Offenstallpferd über Wärmegamaschen oder eine Decke oder nachts über eine gemütlich eingestreute Box, in der es nicht rumgescheucht wird und seine Knochen beruhigt ablegen kann. Wer sein Pferd auf der Weide abstellt, bemerkt bei gelegentlichen Karottenfütterbesuchen wichtige Veränderungen nicht und wälzt seine Verantwortung auf den Stallbetreiber um.
Ein Pferdephysiotherapeut kann die Schmerzen in der Muskulatur auf jeden Fall mindern und weiteren Verkrampfungen (die wieder Zug auf ein Gelenk bringen) durch Schonhaltungen entgegen wirken!