Reitweisenunabhängig: Biotensegrity, als neue Bewegungsidee

Maren Diehl hat Biotensegrity auf  die Pferdewelt übertragen. Auf der sogenannten „Gebrauchshaltungskonferenz“, einer Fortbildung, die ich als Pferdetherapeutin besuchte, wurde diese Denkweise näher beleuchtet. Es ist eigentlich eine Weiterentwicklung der Faszienforschung, über die ich ja auch schon einen Artikel verfasst habe.

Bei all den Reitweisen, Reitschulen, Reitmeistern und dafür begnadeten (prädestinierten) Pferderassen sind wir ja irgendwie auf der Suche: wie erreiche ich ein starkes, belastbares und verlässliches Reitpferd? Und schon wird aus der Suche ein Problem. Welche Zusatzfuttermittel, Therapeuten,  andere Ausrüstung oder Reittechnik helfen dabei?!

Doch wieder ist es euer eigenes Umdenken und Ausprobieren, das gefragt ist.

Über Biomechanik ist ja nun schon viel geschrieben und gelehrt worden und als Grundverständnis sicherlich wichtig. Aber es vermittelt bei all den Bildern immer das Statische. Denkt an das Bild der Brücke, als Versuch das Pferdeskelett zu erklären. Dabei gelten die Gesetze von Physik und Mechanik. Doch das Pferd (und der Reiter drauf) bewegen sich. Also muss man weg vom „Hebeldenken“, hin zum „Raumdenken“.

Schon Einstein wusste: Die Probleme die uns heute beschäftigen, sind das Resultat einer überholten Denkweise. Wir können sie nicht mit der gleichen Denkweise lösen!

Am Besten kann man das vielleicht mit dem tensegralen Modell erklären:

Ihr seht in dem Modell Holzstäbchen und Gummibänder und mittig ein Loch. Die festen Bestandteile können für das Skelett stehen, die Gummibänder für Muskeln, Sehnen, Bänder und Bindegewebe(auch Faszien gehören dazu). Und ihr seht, dass die Holzstäbchen keinen direkten Kontakt haben. Stellvertretend für die Knochen erklärt das, dass das Fasziennetz die Knochen nicht zusammen, sondern auseinander hält. Durch dieses Aufspannen nimmt die Struktur Raum und Volumen ein. Idealerweise ist die Spannkraft gleichmäßig, damit wird Abrieb an den Gelenkflächen verhindert und die Bewegung verschleißarm. Die dazu notwendige Straffheit wird vom Nervensystem gesteuert. Drückt man beim Spielen mit dem Modell eine Struktur in eine Richtung, verteilt sich diese Verformung im ganzen Modell, ohne dass etwas bricht.  Diese tensegrale Bewegung kann der Körper (wieder) lernen.

Doch wie weit sind wir gekommen, dass wir durch unser „Training“ die natürliche Bewegungsintelligenz behindern. Wo sehen wir noch Pferde, die sich unter dem Reiter voller Kraft und Stolz zeigen, die sich elastisch wie ein Tänzer bewegen?! Ja, doch, manchmal im Spiel auf der Weide, da zeigen sie uns ihre stolze Kraft, da sind sie ohne unsere Kontrolle und dem Willen der Formgebung.

Wir müssen also an unserem inneren Bild gesunder und gesunderhaltender Bewegung arbeiten. Als Beispiel möge ein hüpfendes Känguru dienen.  Beim Hüpfen gibt es nicht in den Beinen nach, sondern es nimmt die Energie des Bodens auf und gibt sie sogleich wieder ab. Das ist wie bei den jungen Leuten, die über Häuserdächer und Geländer springen. Oder ihr denkt mal, wie mühsam ihr eine Treppe hinuntersteigt und wie im Gegensatz dazu eine Katze hinunterfließt.

Lasst euer Pferd mal frei im Kreis traben, die meisten dümpeln hölzern in den Boden, man hört sie stampfen. Jetzt gebt ihr euch und dem Pferd das innere Bild von: komm jetzt spann dich mal auf, nimm Raum ein, werde leichtfüßig und elegant. Da uns die Pferde spiegeln funktioniert das nur, wenn ihr nicht mit hängendem Kopf rumstolpert. Spannt euch selbst auf, macht den Brustkorb weit, atmet tief und ihr merkt: es ist viel weniger anstrengend, man fühlt sich leichter und wohler.

Und: man bekommt wieder Spaß und Freude an der Bewegung.

Und jetzt sind wir da, wo ich hin will, bei der Suche nach der „richtigen“ Reitweise, Technik, Weltanschauung.

Zugegebenerweise ist der Text da oben, nicht einfach zu verstehen. Aber das ist das Verstehen und Wissen von gesunder Bewegung auch nicht. Darum: verlasst euch auf euer Bauchgefühl und auf das innere Bild von „schöner“ Bewegung. Macht euch von vorgefertigten Meinungen und Zwängen frei und fühlt hinein, ob das Pferd Freude an eurer gemeinsamen Bewegung hat. Wenn ihr beide daran keine Freude habt, ist dieser Reitstil, große Meister oder Zauberkünstler eben für dich, eurem jetzigen Ausbildungsstand oder der Anatomie deines Pferdes jetzt und heute nicht der Richtige! Sucht eine Art des Reitens in der ihr euch mit dem Pferd verbunden fühlt, wo keiner Spaß auf Kosten des anderen hat. Es sind die Momente, wo es sich leicht anfühlt, wo die Bewegung rund, federnd und fließend ist. Probiert das aus. Wenn ihr mit brennenden Knien den Berg hinabstolpert, war es das falsche Bild. Denkt an die Katze in euch – viel Spass!

Um mit Buckminster Fuller zu enden: Man schafft niemals Veränderung, indem man das Bestehende bekämpft. Um etwas zu verändern, baut man neue Modelle, die das Alte überflüssig machen!