Wie ist das mit den Faszien?

Faszien – die Faszientherapie und warum Muskeln verkleben – dazu habe ich ja bereits unter Pferdetherapie einen Artikel geschrieben.

Nun hat Tanja Richter vom IPP ein kurzes Lehrvideo gepostet, das ich ganz toll und anschaulich fand.

Dort wird an einem realen Beispiel über Faszien – die Faszientherapie und warum Muskeln verkleben erläutert. Ich habe es jetzt etwas umgewandelt, und für Laien verständlich gemacht und hoffe, es gefällt euch.

Man sieht in dem Video unten anschaulich an einer Beinscheibe vom Rind, wie die Muskulatur aufgebaut ist und von Faszien umschlossen ist aber auch durchzogen wird. Im weiteren zeige ich hier auch wie sich die manuelle Bearbeitung und Therapie von aussen auswirkt, und wie weit sich das im Gewebe fortsetzt. Dabei kommt es besonders auf die feine manuelle Bearbeitung und Massage an, da zuviel Druck oder mechanische Reize die Muskulatur negativ beeinflussen können.

Ihr werdet euer nächstes Osso bucco auf jeden Fall mit anderen Augen sehen.

Herzlich grüßt, Petra

“Renken Sie auch ein?”

Renken Sie auch ein?

Immer öfter klingelt bei mir das Telefon und ich werde danach gefragt, ob ich denn auch Wirbel einrenke? Wenn ich das verneine, höre ich ein tiefes durchatmen und Erleichterung. Das sind Kunden, die damit schon schlechte Erfahrungen oder eben keinen Therapieerfolg gehabt haben. Wenn ich dann meine sanfte Behandlungsart erkläre, kommt es zum Termin.

Bei den anderen Kunden frage ich nach, was denn eingerenkt gehört, bzw. wie sie darauf kommen. Nicht selten ist es eine Diagnose des Reitlehrers, dass die Lendenwirbel ausgerenkt seien und das Pferd deshalb nicht untertrete. Ich frage dann nach, ob das Pferd noch stehen kann oder ob es nur noch liegt. Das wäre dann der Fall, wenn ein Wirbel tatsächlich ausgerenkt ist. Die durch den Wirbelkanal laufenden Nerven würden gequetscht, das Pferd hätte unsägliche Schmerzen und es käme zur Lähmung.

Dies ist eigentlich selten der Fall, sondern nur eine unqualifizierte Redenswendung. Mehr lesen

Reitweisenunabhängig: Biotensegrity, als neue Bewegungsidee

Reitweisenunabhängig: Biotensegrity, als neue Bewegungsidee

Maren Diehl hat Biotensegrity auf  die Pferdewelt übertragen. Auf der sogenannten „Gebrauchshaltungskonferenz“, einer Fortbildung, die ich als Pferdetherapeutin besuchte, wurde diese Denkweise näher beleuchtet. Es ist eigentlich eine Weiterentwicklung der Faszienforschung, über die ich ja auch schon einen Artikel verfasst habe.

Bei all den Reitweisen, Reitschulen, Reitmeistern und dafür begnadeten (prädestinierten) Pferderassen sind wir ja irgendwie auf der Suche: wie erreiche ich ein starkes, belastbares und verlässliches Reitpferd? Und schon wird aus der Suche ein Problem. Welche Zusatzfuttermittel, Therapeuten,  andere Ausrüstung oder Reittechnik helfen dabei?! Mehr lesen

„Zwei Geister müssen das Wollen, was zwei Körper können“ – Die Losgelassenheit beim Reiten

Vom Loslassen und der inneren Gelassenheit

Ihr kennt das bestimmt, so Tage an denen man innerlich spürt, es wäre heute besser, ich würde nicht reiten. Angespannt von der Arbeit, verbissen einem Ziel hinterher jagend oder einfach Angst z.B. vor den Dachlawinen der Reithalle, zu haben. Es ist leider ein Kreislauf. Zuerst muss man sich selbst vertrauen, um dann das Vertrauen zurück zu bekommen. Es braucht Respekt und Losgelassenheit und zwar unter Tier und Mensch um die Losgelassenheit beim Reiten zu erlangen.

Die mentale Losgelassenheit (die im Kopf statt findet) findet ihren Weg über den Körper des Reiters zum Pferd. Ein in sich ruhender Reiter mit offenem Blick und positiven Gedanken bringt sein Pferd auch körperlich zur Losgelassenheit. Sind wir nicht in Balance, können wir uns schwer koordinieren. Es braucht ein neues Körpergefühl, um sich wieder auf das eigene Können verlassen zu können. Gelingt das, steigert es das Selbstvertrauen und vermittelt wieder ein sicheres Gefühl. Zu hoch gesteckte Ziele oder stumpfes Lektionentraining dagegen, führen zu Krampf und Kampf sowie Frust und Disharmonie- auf beiden Seiten des Sattels. Es lohnt sich herauszufinden, mit welchen Übungen man sein Pferd motivieren kann, denn das bringt mehr, als Zwang (Xenophon): Kommandiert man sein Pferd herum, wird es exerzieren- aber nicht tanzen.

Geduld und Entspannung

Wie wäre es, den zurechtgestrickten Plan loszulassen, Pausen einzulegen, erkennen, dass man mehr Zeit braucht?- das entspannt und lässt vielleicht ein Lächeln zu. Wir sollten mehr Geduld üben für den richtigen Moment.

Unsere innere Haltung dazu muss stimmen. Unser Tun gehört immer wieder in Frage gestellt, wir dürfen uns nicht selbst überschätzen. Das Pferd spürt uns, unseren Körper, unser Gewicht und unseren Seelenzustand.

Die Losgelassenheit bedeutet also auch geistige Zwanglosigkeit und ergibt aus physiotherapeutischer Sicht,  eine schöne Bewegung durch lockere, unverkrampfte Muskulatur bei freier Atmung. Das ist das grundlegende Fundament aus dem heraus erst weiterführende Übungen aufgebaut werden. Es wird dazu geraten, soviel Spannung wie nötig, sowenig Spannung wie möglich aufzubauen. Da sind die Extreme wie „Schockstarre“ (aus Angst) mit maximaler Anspannung einerseits, aber auch „komatöses-im-Sattel-rumhängen“  auf der anderen Seite. Wenn ich da als Trainer von „positiver Grundspannung“ rede, bekomme ich verspannte Schultern oder hochgezogene Knie zu sehen. Unter „positiver Energie“ senden, ernte ich zwar auch rollende Augen, aber es verspannt sich nichts, der Reiter versucht, dem Bild nach zu spüren. So wird Reiten zur Symbiose aus Liebe und Verständnis.

Die Losgelassenheit beim Reiten

Die Losgelassenheit beim Pferd zu erreichen muss das Ziel und das Ende der Reiteinheit sein. Sie wird sich durch die gute Art des Reitens ergeben- man kann sie nicht erzwingen.

„Doch ein Lösungsweg führt nur zur Lösung- wenn man ihn auch geht!“

Beispiele für lösende Arbeit und lösende Übungen:

  • 10 Min. Mittelschritt am hingegebenen oder langen Zügel
  • Leichttraben in frischem Tempo (nicht übereilt vorwärts, das führt zu Verspannungen; nicht zu langsam- schleppende Hinterhand) auf großen Linien in leichter Anlehnung
  • Galopp auf großen Linien
  • Wechsel zw. Trab und Galopp (entspannt den Rücken)
  • Wechsel zwischen Schritt und Trab
  • Schenkelweichen, Vorhandwendung
  • Aus dem Zirkel wechseln
  • Schlangenlinien, einfache und durch die Bahn
  • Tritte und Sprünge verlängern
    • Wichtig: viele Pferde lösen sich im Galopp leichter als im Trab(kein ermüdender Dauerlauf bereits vor der eigentlichen Arbeit)
    • Die geeignete Lektion für sein Pferd finden
    • Einschließlich der Schrittphase sollte das Pferd in 20-30 Min. gelöst sein, dies variiert mit dem Alter und auch der Außentemperatur

Weitere Möglichkeiten:

  • vorgeschalteter Spazierritt, klettern, Wellenbahn
  • richtiges Longieren
  • Freispringen
  • Bodenricks, kleine Gymnastiksprünge

Fortgeschrittene Pferde:

  • Viereck verkleinern und vergrößern
  • Übertreten lassen auf offener Zirkelseite
  • Reiten einer acht
  • Zirkel verkleinern (traversartig) und vergrößern( schulterhereinartig)
  • Schulterherein

Beispiele mangelnder Losgelassenheit beim Reiten:

Schweifschlagen- Schlauchgeräusche- Zähneknirschen- Stressatmung- hektisches Kauen- Anlehnungsfehler (durch verspannen im Genick, Hals, Rücken) – kein energisches Abfußen aus der Hinterhand (schwingt nicht durch den ganzen Rücken durch) – geht nicht taktrein- Pferd kaut (zu enges Reithalfter?) und speichelt nicht- eingeschränkte Vorhandtätigkeit- Unterhals (Pferd entzieht sich nach hinten- unten)- keine Dehnungshaltung möglich- keine Nickbewegung mehr im Schritt- Triggerpunkte am Kaumuskel und Unterhals (Überforderung unter psych. Stress) – geht ständig in hoher Grundspannung- psych. und/oder phys. Überforderung- Unsicherheit( Pferde werden von ihrem Reiter nicht geführt, fühlen sich allein gelassen)

Pferd ist müde und verheizt- ist gelangweilt und abgestumpft- es hat resigniert

In einer gelungenen Lösungsphase werden Muskeln, Sehnen und Bänder gelockert, erwärmt und vermehrt durchblutet.

Durch das korrekte Lösen werden nervöse Pferde in der Regel ruhiger (aber nicht langsam) und triebige Pferde in der Regel fleißiger (aber nicht eilig).

Für das junge Pferd ist das erreichen der vollen Losgelassenheit das Ziel der Reiteinheit.

Beim reiferen Pferd gilt es immer wieder die Losgelassenheit zu erreichen (kann durchaus zwischendrin verloren gehen) sowohl während der Arbeits- als auch in der Erholungsphase.

Wichtig: So wie man das Pferd wegstellt, holt man es physisch und psychisch am nächsten Tag wieder heraus!

Ich wünsche euch dazu gutes Gelingen und schöne Ritte auf gelassenen und motivierten Pferden. Bei festgestellten Schwierigkeiten, helfe ich euch gerne im Einzelunterricht weiter.

Vom Heu machen

Es raschelt, es duftet, es hat Sommersonne getankt, es kratzt an den Beinen und hört sich doch so gemütlich an, wenn es die Pferde im Winter malmen.

Doch bis es soweit ist, werden täglich mehrmals verschiedene Wetterdienste befragt um fest zu stellen, dass jeder was anderes verspricht. Oder doch den alten Wetterregeln vertrauen, den Vollmond wieder abwarten? Es einfach zu riskieren kann man nicht eingehen, als Pferdehalter hat man nur den ersten Schnitt als Chance. Bleibt es vier Tage sonnig- oder kommt das Gewitter doch früher?

Die größte Sorge im Radio gehört den Schwimmbadbesuchern- ob es Badezeit ist oder nicht. Tja, die können ihr Handtuch in Sicherheit bringen. Mir helfen nur Stossgebete- ja, man wird sehr gläubig bei den Blicken in den Himmel. Wenn wir uns nicht trauen, wird das Gras wieder so überständig wie vor 2 Jahren. Außerdem brauche ich den erneuten Aufwuchs zum Abweiden.

Ich gebe dem selbstgemachten Druck nach und mein Mann darf  das Mähwerk anhängen. Ab jetzt wird jede Wolke argwöhnisch beäugt und das Bangen beginnt. Mehr lesen

Trageerschöpfung − oder: wenn das Fass übergelaufen ist

Trageerschöpfung − oder: wenn das Fass übergelaufen ist

Schon vor Jahren hat meine Ausbilderin und Physiotherapeutin Tanja Richter vom IPP das Syndrom definiert. Nun hat es endlich ein breiteres Gehör gefunden, bestimmt unterstützt durch ihr lesenswertes, neues Buch Illusion Pferdeosteopathie.

Unter den Pferdebesitzern kenne ich drei Gruppen. Die, die sagen, das und das hat mein Pferd schon immer und läuft trotzdem. Die, die die Flöhe husten hören um endlich ihren Pflegetrieb ausleben zu können. Und zuletzt, die tatsächlich Ahnungslosen. Mein Bestreben ist, mit diesen Zeilen einen Mittelweg für das Verständnis der Dysbalance zwischen Skelett und Bewegungsmuskulatur zu finden. Denn die Trageerschöpfung ist reitweisenunabhängig, multifaktorell und liegt immer in der Verantwortung des Besitzers. Sie entsteht über einen längeren Zeitraum und ist mit wachen Augen den Pferden anzusehen:

  • Neben dem Widerrist sind Kuhlen, die Sattellage wirkt eingesunken und man sieht bzw. fühlt Hubbel entlang der evtl. hervorstehenden Wirbelsäule
  • unterhalb der Rippenbögen (die tonnig hervorstehen) ist ein harter Strang zu sehen oder zu fühlen, der für verspannte Bauchmuskeln steht; das Pferd ist oft kitzelig
  • die Vorhand ist vermehrt bemuskelt und stark verspannt
  • die Hosen, also die Sitzbeinmuskeln, treten als Relief hervor und sind bretthart
  • hinter der eingesunkenen Sattellage ist eine Aufwölbung im Lendenbereich und gleich danach eine Kuhle im Bereich des Kreuzbeins zu sehen, sowie eine Aufquellung vor der Schweifrübe
  • der Glanz in den Augen ist Resignation gewichen

Wenn ihr euer Pferd mit dieser Symptomatik vorfindet, ist es fünf vor zwölf für euer Handeln. Hat euer Pferd nur einige dieser äußeren Erscheinungen, spricht das definitiv auch für Fehler im Management und bereits erreichten Blockaden im Bewegungsapparat.

Was hätte man denn an der Bewegung erfühlen können:

  • Das Pferd geht kurztrittig, hölzern und läuft in den Boden; atmet schwer
  • Es stolpert oft und hat vermehrt Sehnenprobleme bis hin zu chronischen Lahmheiten
  • Es wird wenig Schwung von hinten entwickeln und durchlassen
  • Es dehnt und biegt sich ungern

Was habe ich als Reiter falsch gemacht?

  • Zuviel gegessen: idealerweise sitzt weniger als ein Fünftel des Pferdegewichtes im Sattel
  • Zuwenig geritten: Unterforderung baut keine tragenden Muskeln auf. Drei bis Fünf mal pro Woche abwechslungsreiches Training entspricht der Natur des Pferdes
  • Zuviel geritten: Für stundenlanges Tragenlassen ist der Rücken nicht gebaut
  • Zuviel Angst: klemmender Sitz, ständiger Zügelzug und zuwenig frischer Galopp
  • Zu wenig Ahnung von: passenden Sätteln, Reit- und Trainingslehre, Hufbalance, guter Haltung und Fütterung
  • Zulange schön geredet und nichts dagegen unternommen

Was kann ich tun?

  • Oben dargestellte Fehler abstellen und vertrauenswürdigen Pferdemensch zu Rate ziehen
  • Mit viel Glück einen fachkundigen Behandler suchen, der die Ursache herausfindet und sie auch schonungslos mitteilt. Einer, der die Muskulatur lockert, damit die Durchblutung fördert und Blockaden löst. Der euch einen Trainingsplan ausarbeitet und euch beim Neustart und Umdenken begleitet.
    Das Pferd nicht einfach nur wegstellen sondern umbauen
  • Schnell umblättern, weiter an die eigenen Ausreden und Bequemlichkeiten glauben und sich schon mal nach einem neuen Pferd umschauen (mit Rassemerkmal Unkaputtbar)…

Was hilft mir bei der Meinungsfindung?
z.B. das Seminar Trageerschöpfung oder funktionelle Anatomie. Hier werden wir den eigenen Blick schulen und Zusammenhänge zwischen Muskelphysiologie und Training herstellen.

(Artikel erschienen im VFD-Jahrbuch 2013)

Häufig gestellte Fragen zur Arbeit des Physiotherapeuten

Häufig gestellte Fragen zur Arbeit des Physiotherapeuten

Was ihr euren Pferde-Physiotherapeuten schon immer mal fragen wolltet, ist nun Thema von folgendem Interview geworden.

Redaktion: Petra Stegmüller, ich durfte dich beim letzten Reitkurs als engagierte Ausbilderin erleben. Dabei gefiel mir besonders dein Augenmerk auf pferdegemäßes Reiten. Wie wir wissen, hast Du kürzlich deine Prüfung als Pferde-Physiotherapeutin bestanden. Was hat denn nun Physiotherapie mit Reitunterricht zu tun?

Petra: Tja, da künnte man jetzt zum Aufzählen beginnen. Viele Faktoren, u.a. Haltung, Fütterung, Ausrüstung, Beschlag und Training wirken sich auf die Muskulatur des Pferdes aus. Ich müchte mal Reitmeister Stecken zitieren, richtig reiten würde reichen. Wie das Pferd geritten wird, erkennt man mit geübtem Auge bereits an seinem Exterieur. Ist der Reiter endlich bereit, über die Nutzung seines Pferdes nachzudenken, schafft er es meistens nicht, ohne Anleitung den Teufelskreis zu unterbrechen. Nichts blockiert unser Handeln mehr, als falsche und bereits unbewusst ausgeführte alte Muster. Ich schule mich seit 20 Jahren in der Ausbildung von anspruchsvollen Freizeitreitern und ihren Pferden. Besonders liebe ich den Satz: das habe ich schon immer so gemacht oder das ist normal, das macht er (Pferd) schon immer so. Wenn ich für das Warum eine Antwort bekommen müchte, ernte ich nur betretenes Schweigen. Erklärt man nun den Leuten, woher das Problem beim Reiten kommt, und wie es sich richtig anfühlen sollte, lernen sie gleich viel engagierter.

Redaktion: Hat sich dein Reitunterricht durch die Physio-Ausbildung verändert?

Petra: Das kann man wohl sagen. Oft stand ich in der Bahn und habe mir beim Beobachten des Paares gedacht: Kann er (Pferd) nicht – oder will er nicht? Jetzt sehe ich meist sofort, wo es zwickt. Genial ist es, das Pferd nun nicht mehr durch Reitübungen kneten zu müssen, mit denen der Reiter sowieso überfordert ist und zuviel Hand benutzt. Entspannter für alle Beteiligten sind zwei, drei physiotherapeutische Behandlungen zum Lüsen des Hartspanns und dann reiten unter anderem Blickwinkel.

Redaktion: Welche Reaktionen des Pferdes beim Reiten sollte ich u.U. als muskuläres Problem und nicht Ungehorsam deuten?

Petra: Oh, da gibt es viele. Und die Ausreden der Reiter dazu, solltest Du mal hüren. Es ist unglaublich, was wir uns als Reiter alles schün reden, nur weil wir nicht an unserer Eitelkeit arbeiten wollen. Bei folgenden Problemen sollte man aufhorchen: Pferd stellt sich auf einer Seite schlechter; Pferd findet nicht zum Vorwärts-abwärts; verkürzte Schritte; Taktverlust; bleibt beim Aufsteigen nicht stehen; weicht zur Seite wenn der Sattel kommt; flucht beim Angurten; springt im Galopp oft um, oder springt falsch an; knickt in der Hinterhand ein; zackelt im Schritt; schlurft mit den Hinterbeinen; stolpert häufig; wirkt unkoordiniert und natürlich als Klassiker der schmerzende Rücken.

Redaktion: Oh je, da kann ich mich an der eigenen Nase packen! Ist demnach immer der Reiter Schuld, wenn man einen Physiotherapeuten braucht?

Petra: Nein, wir sind ja auch Begleiter nach medizinischen Eingriffen oder Unfällen. Wird ein Pferd z.B. nach einem tierärztlich diagnostizierten und behandelten Sehnenschaden noch von einem Physio weiterbehandelt, bekommt das Narbengewebe eine bessere Qualität, das Gewebe drumrum lagert weniger Flüssigkeiten an und das Pferd ist schneller wieder einsetzbar. Oder die vielen angelaufenen Beine, die unter karierten Bandagen versteckt werden und sich beim Abnehmen der Verwicklungen wieder prompt füllen. Hier kann man mit Lymphdrainage tolle Ergebnisse erzielen. Physiotherapie ist nicht mit Wellness zu verwechseln!

Redaktion: Da hast Du wohl Recht. In der Humanphysiotherapie wird ja auch nicht nur massiert. Ich habe kürzlich ein Foto in der Presse bestaunt, wo eine total übergewichtige eine Reining gewonnen hat. Das kann dem Rücken des Pferdes doch auch nicht gut tun, oder?

Petra: Darüber kann man sich wohl streiten. Wenn 90 kg geschmeidig sitzen und wissen, was sie auf dem Pferd tun, glaube ich, gibt es auf manch Wanderritt schlimmere Bilder. Außerdem hat das Sportpferd manchmal ja auch das Glück systematisch trainiert zu werden und über eine ausgewogene Muskulatur und Fütterung zu verfügen. Außerdem reiten die ja nicht stundenlang. Schaun wir mal in unserer Szene rum. Ich glaube, eine Pferdeliebhaberin mit 60 kg, grundsätzlich ängstlich und daher auch mit steifem Becken, blockiert ihr heißgeliebtes Pony auf Mehrtagesritten mehr. Dazu mit Schlapperzügeln auf durchhängendem Rücken sitzend, mit Gepäcktaschen, die auf den Lendenwirbeln liegen. Pferde sind nun mal sehr gutmütig und leidensfähig, den schwarzen Peter künnen wir rundum verteilen – und alle lieben ihre Pferde!
interner Link - öffnet Popup Sie auch: Details und Symptome der Trageerschüpfung beim Pferd

Redaktion: Welche Therapiemöglichkeiten hast Du, bzw. wie gehst Du vor?

Petra: Ich brauche kein Pendel, wedle nicht mit der Rute oder rufe zu den Schutzengeln (grinst dabei). Ich habe gute Energie in den Händen, spüre mich durch das Gewebe, überprüfe dabei auch die Stresspunkte und beobachte das Pferd. Die geschulten, funktionellen Zusammenhänge im Bewegungsablauf der Pferde durch das Miteinander von Muskeln, Sehnen, Bänder, Gelenke und Nervenbahnen in Kombination mit dem Ertasten geben erste Ergebnisse. Das Schwierige dabei ist, dass alles mit allem zusammenhängt und eben z.B. eine Schulterlahmheit nicht nur durch Probleme in der Schulter kommen, sondern z.B. eine Hufknorpelverknöcherung ursächlich ist. Denn das Schlimme ist, dass die Pferde meist hart im nehmen sind und lange Zeit kompensieren, bis sie den Schmerz endlich zeigen. Darum ist es so wichtig, die oben aufgeführten Probleme ernst zu nehmen. Da zeigt uns das Pferd schon, dass was geändert werden muss! In der Physiotherapie verwendete manuelle Methoden sind Massagen, Dehnungen, Mobilisationen, Akupressur und Lymphdrainage. Dazu kommt je nach Fall noch die physikalische Therapie mit Wärme- oder Kältebehandlungen, Druck, Strom, Licht (Laser), Ultraschall und Magnetfeld. In der erfolgten Rehabilisationsphase wird unterrichtet, wie man z.B. richtig longiert (auch Doppellonge), an der Hand gymnastiziert, Körpergefühl wieder herstellt, besser reitet, das Training z.B. auch durch Cavalettiarbeit oder Freispringen optimiert.

Redaktion: Jetzt hast Du mich aber schwer beeindruckt, kein Wunder, dass Du so mit Lernen beschäftigt warst. Obwohl – ich hab da so ein Buch – da ist das ganz toll beschrieben, darf ich das selbst direkt machen oder gibt es da so was ähnliches wie das “Hufbeschlagsgesetz “?

Petra: Kann man aus einem Buch reiten lernen? Wenn ich mir die Bibliothek meiner Reitschüler anschaue, müssten die alle schon bis Kentucky gekommen sein. Es hakt aber schon bei der Galoppvolte. Das mit den Büchern ist so eine Sache. Ich finde sie gut zum nachlesen, zum aufmerksam machen, zum Hintergründe sammeln. Aber therapieren sollte man damit nicht, weil der Laie ja die Zusammenhänge nicht weiß und die nötigen vorbereitenden Maßnahmen. Ein seriöser Behandler wird dir sicher unterstützende Übungen für das angesagte Problem zeigen.

Redaktion: Darf ich während der Therapie mein Pferd reiten / arbeiten / bewegen?

Petra: Das kommt auf das Problem an. Es gibt grad nach Operationen empfohlene Schonzeiten, mit dann langsam aufbauenden Übungen gemäß dem individuell erstellten Trainingsplan. Wenn das Pferd atrophierte Muskeln hat, wie z.B. die Kuhlen links und rechts vom Widerrist, macht es keinen Sinn zu reiten. Erst muss die Ursache abgestellt, das ist im einfachsten Fall der unpassende Sattel und dann der Muskel aufgebaut werden. Kommen die Kuhlen vom falsch verstandenen Reiten, z.B. weil der Reiter immer überzeugt war, dass das Pferd doch so einen schönen Kragen macht, dabei aber nicht bemerkt, dass es die Hinterbeine noch beim Nachmittagsschlaf in der Box hat, dann dauert es länger. Denn der Reiter muss seine alten Muster ablegen und das Pferd muss anders gehen und arbeiten lernen. Da ist es manchmal besser eine zeitlang vom Boden aus zu arbeiten. Und da sind wir bei einem der Punkte, wo die Zusammenarbeit mit Durchhalten, Geduld und langen Atem haben verbunden ist. Und dann noch das Geläster der anderen Gscheitmeier im Stall: was, Du reitest immer noch nicht? Dein Pferd ist schließlich schon 15 Jahre alt, da ist so was doch normal – neeein, ist es nicht!

Redaktion: Woran erkenne ich, dass die Behandlung meinem Pferd gut tut und woran, dass sie meinem Pferd NICHT gut tut? (Gibt es z.B. eine Erstverschlimmerung oder etwas ähnliches?)

Petra: Ziel unserer Therapie muss vorrangig Entspannung, verbesserte Beweglichkeit und ein gefördertes allgemeines Wohlbefinden sein, durch den Heilimpuls den wir setzen. Du kennst sicher den intelligenten Gesichtsausdruck mit hängender Unterlippe, gekippten Ohren, halbgeschlossenen Augen. Dazu ein gesenkter Kopf mit lecken, kauen und/oder gähnen. Dann sagen sie einem nur Danke! Dem Pferd gefällt es nicht gut, wenn die Behandlung weh tut. Wie will sich ein Pferd unter Schmerzen entspannen, das macht schon durch die Nerven wieder dicht. Wenn man eine schmerzende Stelle gefunden hat, muss man sich langsam vorarbeiten, manchmal auch über Umwege. Es kann nach der Behandlung zu einer Art von Muskelkater kommen, sie können aber auch durch einen herzhaften Buckler beim nächsten Ausritt zeigen, wie toll es ist, dass nichts mehr zwickt. Du kannst dir aussuchen, was angenehmer ist.

Redaktion: Man liest ja oft von dem Katzenbuckel, den die Pferde machen sollen um den Rücken zu wölben. Ich komme vor lauter Stallarbeit wenig zum reiten. Aber mit den Fingern eben mal über den Rücken fahren geht ja nebenher – und schon hab ich ein Pferd mit gewölbtem Rücken?!

Petra: Das kommt von der Leserei – ist aber echt genial für meinen Geldbeutel, so richtet man gutgemeint Schaden an.

Redaktion: Sind die Titel Pferde-Physiotherapeut und Osteopath für Pferde geschätzt oder kann sich jeder so nennen?

Petra: Der Pferde-Physiotherapeut ist noch nicht geschützt. Es gibt aber echte Hoffnungen, dass sich in etwa zwei Jahren, nur der so nennen darf, der vom Berufsverband (hier DGT) geprüft ist. Das hat unsere Schule erfüllt. Beim Osteopath ist es streng genommen so, dass sich nur der so nennen darf, der Human-Physiotherapie und Osteopathie gelernt hat und dann Pferde-Physiotherapie und Osteopathie drauflegt. Ein zeitlich sehr aufwendiges und teures Unterfangen. Wenn man da mal die ganzen selbsternannten Osteopathen sieben würde, bliebe eine qualitätvollere Minderzahl übrig…(entschuldige bitte).

Redaktion: Welche Ausbildungen gibt es – woran erkenne ich einen guten Therapeuten?

Petra: Das ist eine gute Frage und in der Vielfalt des Angebotes für den Laien wirklich schwer zu erkennen. Dazu gibt es jetzt sogar schon Seminare – traurig genug. Andererseits beobachte ich auch, wie viele Leute ohne Ausbildung rumgereicht werden, weil sie z.B. aus Intuition handeln, und da wird gut bezahlt und nicht nachgefragt. Am Besten ist, Du beobachtest die Leute mal so von der Seite, frägst nach, schaust dir die website an, beobachtest den Heilungsverlauf oder vertraust eben auf Empfehlungen. Es kann heut auch jeder eine Akademie gründen, Seminare anbieten und selbst prüfen.
Andererseits gibt es auch ganz klar erfolgreiche Behandlungen von Leuten, die es echt im Gespür haben, ohne dass sie ein Zertifikat haben.

Redaktion: Was hältst du vom Ostfriesen XXL, kennst Du den – ich kann da immer gar nicht zusehen!!! – ist das eher Show oder sinnvolle Therapie?

Petra: Natürlich kennt man den. Ich würde ihn mir nicht holen, es steckt auch eine ganz ausgeklügelte Maschinerie dahinter. Er hat gleich den Sattelverkäufer, Hufschmied und sonst was dabei. Selbst wenn der Hammer den Wirbel nicht zertrümmert, sondern wieder in seine richtige Stellung bringt, weiß der Pferdebesitzer nicht, durch welchen falsch belasteten oder unterentwickelten Muskel das passiert ist (Unfälle ausgenommen). Es wird wohl wieder passieren. Ich bin mehr für die sanfteren Methoden, denn so ein Pferd ist ja auch nur ein Mensch.

Redaktion: Was würdest Du den Pferdebesitzern gerne mit auf den Weg geben?

Petra: Aus der Sicht des Pferdes gäbe es da vieles. Bestimmt wäre das Geld für die zehnte neue Sattel- oder Stalldecke, passend zu den Socken besser angelegt, bei einem Ausrüstungs- und Gesundheitscheck durch einen Physiotherapeuten. Aber die Antwort könnte unangenehm sein, obwohl leichter in einen neuen Sattel investiert wird, als in Reitunterricht oder die Human – Physiotherapie. Und Leute lasst euren Stress vor dem Stall liegen und nehmt ihn nicht mit aufs Pferd, das hat der Kumpel nicht verdient. Wenn ihr Angst habt, dann arbeitet mit einem Fachmann dran und schaukelt euch nicht mit dem Pferd zusammen hoch. Und wenn ihr keine Zeit habt, dann kauft euch ein Kuscheltier und stellt nicht so ein Pferd ab, das sich nur krank frisst. Ich habe schon soviel lebende Pferde mit totem Gesichtsausdruck gesehen, die ihre Reiter nur ertragen und nicht tragen. Ich weiß, ich kann nicht alle retten, aber vielleicht den ein oder anderen auf den Weg bringen und für die und die leuchtenden Pferdeaugen ist es mir die Mühe wert.